WENN DIE NACHT AM TIEFSTEN IST DER TAG AM NÄCHSTEN
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Karl Koch, der sich später ‘Hagbard Celine’ nannte (nach dem Helden aus Robert Anton Wilson’s
Roman ‘Illuminatus’) und als ‘KGB-Hacker’ zu zweifelhaftem Ruhm kam, wurde im Jahr 1979 Mitglied im damaligen Astronomischen Arbeitskreis Hannover e.V. (AAH). Der Verein traf sich immer Freitags
zu astronomischen Beobachtungen auf der Sternwarte der Bismarckschule in Hannover. In den
Jahren danach hat Karl sehr engagiert im Verein mitgearbeitet. Er war bei den Vereinsmitgliedern sehr beliebt; wenn ich mich richtig erinnere, war er eine Zeit lang sogar im Vereinsvorstand tätig. Obwohl
Karl nie aus dem AAH austrat, riß 1982/83 der Kontakt zu ihm überraschend ab. Außer einem Telefonat im Jahr 1985 habe ich dann nichts mehr von Karl gehört
Ich habe Karl als einen ruhigen, intelligenten Jugendlichen kennengelernt. Wir haben in den Jahren
viel gemeinsam unternommen. Was er sagte und tat war überlegt und für sein Alter nicht selbstverständlich; er war schließlich erst 15 Jahre alt.
Karl war regelmäßig auf der Sternwarte aktiv. Im Jahr 1982 war er an der Vorbereitung und Durchführung von ESOP I (European Symposion On Ocultation Projects) beteiligt. Eine Tagung in
Zusammenarbeit zwischen dem AAH und der Universität Hannover; eine Veranstaltung, die von der IOTA/ES seit nunmehr 20 Jahren europaweit ausgerichtet wird.
Karl war auch mit großem Eifer an Ausbau und Erhaltung unserer damaligen Aussensternwarte
beteiligt. Auf einem gepachteten Kleingartengrundstück in Duingen bei Alfeld, ca. 50Km vor den Toren Hannovers hatte der AAH eine Beobachtungsstation aufgebaut,
um der Dunstglocke und dem Kunstlicht Hannovers auszuweichen, welche astronomische Beobachtungen auf der Bismarckschule zunehmend beeinträchtigten. Häufig habe ich Karl bei seinem Vater in
Hannover/List abgeholt, um mit ihm nach Duingen zu fahren. In jener Zeit hatte ich den Eindruck, daß Karls Verhältnis zu seinem Vater noch intakt war. Bezüglich seiner astronomischen Aktivitäten genoß
er augenscheinlich alle Freiheiten.
In Duingen konnte Karl in einem nahe gelegenen Steinbruch auch seinem zweiten großen Hobby
nachgehen; er sammelte leidenschaftlich Mineralien und Versteinerungen.
Schon damals aber muß sich Karl auch mit Themen beschäftigt haben, die einen
amateurastronomischen Anspruch vermissen ließen. Ein Buch von Tons Brunes, welches Karl mir mal auslieh, handelte vom Geheimnis der Bruderschaften. Der Titel des Buches: ‘Energien der
Urzeit’; das Vorwort schrieb Erich von Däniken.
Vermutlich kam Karl beim AAH auch erstmals mit Computern in Berührung. Astronomie und Computer
waren seit Ende der siebziger Jahre eng miteinander verbunden. Vereinkameraden boten sogar einen BASIC Grundkurs auf dem legendären TANDY TRS80 an.
Von den Ereignissen Mitte der achtziger Jahre, Karls Drogenkonsum, seinen Hack-Aktivitäten und KGB-Kontakten,
seinen psychischen und physischen Problemen, bis hin zu seinem tragischen Tod im Jahr 1989 haben wir erst durch die Medien erfahren. Da mir keine eigenen Informationen aus dieser
Zeit vorliegen, verweise ich auf die sehr bewegende Dokumentation seiner Freunde. Leider hatte Karl in den Jahren
nicht das Vertrauen, sich mit seinen Problemen an die Vereinskameraden zu wenden. Vielleicht hätten wir helfen können, ihn zu retten.
1998 ist in Hannover der Film ‘23’ entstanden, der Anfang 1999 in die Kinos kam. Grundlage waren umfangreiche Recherchen von Michael
Gutmann und Hans-Christian Schmid, der auch Regie führte. Der Film vermittelt neben der Story um Karl Koch auch das Lebensgefühl der achtziger Jahre mit Brockdorf, Pershing und Tschernobyl. Dazu die
unvergessene Musik von Deep Purple.
Das Buch ‘23’ ist nach meiner Einschätzung gründlich recherchiert und
geht Karl Koch und seinen Freunden (?) wesentlich tiefer auf den Grund. Es ist im Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv) unter der Nr. ISBN 3-423-08477-4 zum Preis von DM 16,90 erschienen.
copyright by Carsten Ost, March 2001
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